Eine Geschichte zur Causa mit den Google Fonts Abmahnungen

By | 30. August 2022

Hin und wieder muss ich einen Beitrag schreiben, weil ich mir denke, kein Satiriker könnte das besser machen, was uns aktuell da in Punkto Rechtsmeinungen präsentiert wird.

Ich habe einen ganz neutralen Beitrag zur Sache mit den Abmahnungen wegen Google Fonts hier auf dem >> Blog der Guten Webseite geschrieben

Ich zieh mir jetzt aber mein satirisches Mäntelchen über und möchte euch eine Geschichte erzählen.

„Die Geschichte der surfenden Uschi“ oder „Wie schrecklich ists´ im Internet“

Uschi lebt in einem kleinen Vorort einer mittelgroßen Stadt im Speckgürtel des allseits beliebten Ballungsraums. Sie hat einen vernünftigen Job, eine ordentliche Wohnung und seit kurzem auch einen neuen Laptop.

Mit dem neuen Laptop surft unsere Uschi liebend gerne im Internet. Ihr Internetzugang kommt von einem beliebten Mobilfunkbetreiber. Die haben das so einfach beschrieben in der Werbung, da kann nix schief gehen.

Und so surft sie eines Tages und hört daneben Radio. Im Radio wird erzählt, dass es den Datenschutz gibt und dazu auch eine Datenschutzgrundverordnung. Und von IP Adressen. IP Adressen kennt Uschi, sie weiß auch, dass sie häufig eine andere hat, wenn sie mit ihrem Laptop im Netz surft, weil sie eben keine fixe solche Adresse hat. Trotzdem macht sich Uschi Sorgen. Sie möchte auf keinen Fall, dass diese Internetkonzerne in den USA, wissen was sie im Internet macht.

Google mag sie trotzdem, die Einwilligung, die sie da jedes Mal anklicken muss, wenn sie mit ihrem Chrome Browser auf ihre Lieblingssuchmaschine kommt, hat sie sich zwar noch nie gelesen, aber die machen sicher alles richtig. Nur die IP, die soll Google nicht bekommen.

Susi surft wieder einmal los und als sie gerade zufällig auf eine Seite mit Landmaschinenreifen kommt, denkt sie sich, hoffentlich weiß Google nicht, dass ich hier bin. Sie sieht sich also den Quelltext der Seite an und oh je, die Schriftarten werden von Google abgerufen. Das bedeutet, ihre IP wurde zu Google übertragen. Auf diesen Schock hinaus, klickt sie sofort zurück zur Suchmaschine Google, von wo aus sie die Landmaschinenreifen-Seite betreten hat, nachdem sie nach Reifen für Ihren Steyr Traktor gesucht hat. Sie sucht nun nach der Information ob der Betreiber das denn einfach darf. Schnell wird sie bei der Seite eines freundlichen Rechtsvertreters fündig. Der schreibt nämlich genau, was sie lesen möchte. Sie klickt sich zurück, sucht noch einmal nach den Reifen und kommt wieder auf die Seite, die so unverfroren ihre IP Adresse weiter gegeben hat. Sie macht einen Screenshot der Seite, dann einen von den betreffenden Einträgen im Quelltext und dann sucht sie sich noch das Impressum heraus, damit sie die Daten des Seitenbetreibers hat. Alles das speichert sie in einen Ordner.

Das wäre ein normaler Surfvorgang. Und solche hat Uschi viele hinter sich. Das Internet war schrecklich zu ihr. Sie hat so viele Seiten gefunden, die ihre IP Adresse weitergegeben haben. Das wollte sie beenden. Sie hat das, was sie oben gemacht hat, bei allen Seiten, auf denen sie zufällig herumgesurft hat gemacht. Sie war nach dem Traktorreifenhändler noch auf der Seite vom Rasenmähermann in Wels, dem Lüftungsbauer in einem anderen Bundesland, dem KFZ Betrieb in einem ganz anderen Bundesland, der Bloggerin für Handarbeit, dem Friseur, der auch recht weit weg von Uschi arbeitet, der rockigen Rock´n´Roll Band, mit der Uschi eher nichts zu tun haben will, dem Detektiv im großen Fremdenverkehrsort, dem Fotografen, der von Uschi kein Foto machen wird, der Homepage vom Wirtshaus, in dem Uschi noch nie war und wo sie auch nie hingehen wird und noch vielen anderen Seiten.

Ein Rechenbeispiel das zeigt, wie fähig Susi surft und speichert

Nehmen wir an pro Bundesland wären etwa 500 Seiten, die Susi ansurft und so speichert. Bei 9 Bundesländern kommen wir auf 4.500 Seiten.  Die Zahl fällt mir jetzt gerade ein, weil in der ganz oben genannten Abmahn-Causa glaube gelesen zu haben, dass etwa 500 Beschwerden in der WKOÖ eingegangen sind.

Also, nehmen wir an die Seite aufzurufen und einen Blick drauf zu werfen dauert 15 Sekunden.

Dann sieht sie sich den Quelltext an und sucht nach „fonts.googleapis.com“. Sagen wir 15 Sekunden

Ein Screenshot dazu. Ein Screenshot von der Seite an sich, beides in einen Ordner auf der Festplatte speichern mit einem passenden Namen, damit man nachher auch findet was man braucht. 1 Minute.

Dann surft sie das Impressum an, findet es und kopiert die Daten des Seitenbetreibers. 30 Sekunden

Dann das ganze in eine Datei speichern – weil wenn sie eigens eine Datenbank dafür hätte, mit der das schnell geht, könnte man ja ganz sicher nicht von einem „normalen“ Surfverhalten sprechen, oder? Also noch eine Minute. Da ist dann alles strukturiert in eine Tabelle eingetragen und diese abgespeichert – Webadresse, Anschrift, Name. 1 Minute. Ok, Tabelle ist jetzt vielleicht auch schon kein „normales“ Verhalten mehr, aber ohne geht wirklich nicht.

Somit braucht sie, und damit ist sie sehr schnell, wenn sie ganz normal surft für diesen Vorgang: 

15 Sekunden + 15 Sekunden + 60 Sekunden + 30 Sekunden + 60 Sekunden = 180 Sekunden oder 3 Minuten

Dann rechnen wir das für 4.500 Seiten durch:

4.500 x 3 = 13.500 Minuten oder 225 Stunden

Uschi arbeitet, also fallen am Tag 8 Stunden weg, 4 Stunden pro Tag gönnen wir ihr fürs Essen und ihre Toilette, die Fahrt zur Arbeit, Kochen, Haushalt usw. und die Frisur. Schlafen darf sie auch 8 Stunden, bleiben noch einmal 4 Stunden, an denen sie surfen kann. Sie kann also

pro Tag 4 Stunden surfen

Das bedeutet

Für 4.500 Seiten braucht Uschi dann nur knapp 2 Monate um sie abzuspeichern. 

Wow. Dann geht sie mit den 4.500 gesammelten Datensätzen zum Anwalt. Sie passt gut auf, dass ihr die Daten am Weg nicht abhanden kommen, sie mag ja Datenschutz. Der Anwalt druckt dann pro Datensatz 5 Seiten vorgefertigte Briefe aus. Das ergibt 22.500 Blatt Papier. Und das macht der einfach, weil er der Uschi helfen will. Er hinterfragt nicht, ob das gescheit ist oder verlangt von ihr, alleine für das Papier und den Toner Geld, nein er macht das. Er bezahlt auch das Porto für die Briefe. Und dann schickt er für seine Mandantin, die im Internet so schändlich behandelt wurde, alles raus.

Das ist so, bis jemand etwas anderes bewiesen hat.

Anmerkung 19.1.2023: Nachdem mittlerweile die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, weil man dort der Sache mit dem normalen Surfverhalten auch nicht mehr glaubt (>> siehe Artikel auf ORF.AT) und man von einer Klagssumme von über 5.000 000 € ausgeht, möchte ich das Ergebnis der Rechnung nun mit genau dieser Summe berechnet präsentieren: 

5.000 000 € dividiert durch je 190 €, die eben pro Abmahnung eingefordert wurden, ergeben über 26.000 Fälle. 

Rechnen wir nun alles von oben, mit 26.000 anstatt mit 4.500, so kommen wir nicht mehr auf knapp 2 Monate sondern auf fast 11 Monate (es sind etwa 325 Tage).

Bullshit

Noch eine Geschichte: Wie Karl seinen Lieferwagen aufs Dach getragen hat

Karls Lieferwagen steht auf dem Dach seines Hauses. Man könnte meinen, er sei zu schnell von der Straße abgekommen, die oberhalb seines Hauses verläuft, und der Wagen sei aufs Dach gefallen. Karl sagt aber, so etwas macht er nicht. Er fährt nicht zu schnell. Er hat seinen Lieferwagen aufs Dach getragen.

Das ist so, bis jemand etwas anderes bewiesen hat. 

Der Aufwand wäre für beide Dinge vergleichbar möchte ich meinen, wobei ich mich persönlich eher am Lieferwagen versuchen würde. Wenn Uschi oder ihr hilfsbereiter Anwalt einen Crawler bzw. Scraper nutzen, weil sie das in ihrer Jugend in der coolen Tech-Clique gelernt haben, dann ließe sich das vollautomatisiert erledigen. Karls Lieferwagen hilft das nicht.

Author: Gerald G.

Nur so. Und überhaupt.