Wer fürchtet sich vor Kanzler Kurz?

By | 29. Mai 2019

PolAk-Wien-27-05-2019

Die Frage muss ich stellen, wenn ich mir die letzten Tage so ansehe und feststelle, welche Dinge da, offenbar aus Angst, von Statten gingen. Aber lasst mich mal zusammenfassen:

  1. Ein Video erschüttert das Land, Strache zieht die Konsequenzen und tritt zurück
  2. Leute gehen demonstrieren, fordern Neuwahlen
  3. Kanzler Kurz spricht mit allen Fraktionen und ruft Neuwahlen aus
  4. Das ist der Opposition zu wenig, sie machen Kurz dafür verantwortlich, dass sein Koalitionspartner überhaupt in die Position kam, dass dieses wenig rühmliche Video Österreich überhaupt in seinem Ansehen schaden kann.

Stopp – Kurz ist schuld?

Das können viele ÖsterreicherInnen nicht nachvollziehen – ich gehöre dazu. Eine ganze Partei unter Generalverdacht zu stellen, dass sie ja nicht in der Lage sei zu regieren und deshalb dürfte man mit ihr nicht koalieren, geht nicht. Wenn wir das ernsthaft machen, müssten wir die FPÖ verbieten, bevor sie zur Wahl antritt. Das wäre alles andere als demokratisch und die Frage würde sich sofort aufdrängen, wer denn hier dann entscheiden darf, was Österreich wählen darf. 

Kurz darf in Folge natürlich koalieren mit wem er möchte, so lange der Wähler den potentiellen Koalitionspartner nicht offensichtlich deklassiert hat. Das gab es auch schon einmal. Kanzler Schüssel hat damals nach Knittelfeld trotz einer „Watschen“ vom Wähler für die Orangen unter Jörg Haider, wieder eine Koalition mit denen durchgezogen. Das Resultat war sein eigener Wahlverlust bei der nächsten Wahl. 

Wenn nun ein Koalitionspartner Mist baut, dann ist dieser auch dafür verantwortlich. Mich wundert es wirklich, dass hier die Opposition Kurz die Schuld gibt. Was uns dann nicht wundern darf ist, wenn ein praktisch durch diese Aussagen etwas entlasteter H.C. Strache so viele Vorzugsstimmen bei der EU-Wahl erhält, dass er auf dem Direktmandat direkt nach Brüssel ziehen kann. Ob er das tut, wird sich noch zeigen. 

Gut wie dem auch sei, Kurz hat Neuwahlen verkündet, innerhalb 24 Stunden eine Übergangsregierung organisiert und alles immer in Rücksprache mit dem Bundespräsidenten. Man sollte meinen, alles richtig gemacht. Weit gefehlt. Noch schneller als die Übergangsregierung, war der Misstrauensantrag von Peter Pilz gegen Kanzler Kurz fertig. Das darf als letztes Lebenszeichen von „JETZT“ zu werten sein, es kommt aber zum wirklich unsinnigsten Zeitpunkt. 

Misstrauen im Parlament

Warum ich das so sehe? Nun, es sind bereits Neuwahlen bestimmt, die Regierung ist bereits eine Übergangsregierung und es wurde bereits klar kommuniziert, dass keine Beschlüsse mehr gefasst werden, die dem Steuerzahler unnötig Geld kosten, die sich aber vor einer Wahl positiv aufs erhoffte Ergebnis auswirken sollen. 

Hier das Misstrauen auszusprechen ist so, als würde man mit einem Backhendl zum Tierarzt laufen. 

Die SPÖ unter Rendi Wagner legt noch eines drauf und bringt selbst einen Misstrauensantrag gegen die ganze Regierung ein. Sehr nachvollziehbar, die neuen Übergangsminister hatten zwar noch keine Zeit, irgendwie Misstrauen zu erwecken, aber man will zeigen, dass man was kann. Rendi-Wagner spricht pausenlos von fehlender Stabilität, erzählt im Interview am 26.  Mai Abends Armin Wolf noch, dass mit dieser FPÖ keine Zusammenarbeit möglich sei und geht am 27. Mai ins Parlament um mit Kickl gemeinsam die Regierung zu kippen. Ziemlich stabil. Der wahre Grund dürfte ein anderer sein – in zwei Interviews war zu hören, dass Rendi-Wagner einen Wahlkampf auf Augenhöhe haben will. 

Das ganze dann auch noch nach der EU Wahl durchzuziehen, die ein paar Protagonisten des politischen Theaters hier, deutlich gezeigt hat, dass man beim Wähler nicht ganz so gut ankommt, wie man glaubt, kann man auch als panisch interpretieren… oder als Ausdruck purer Selbstüberschätzung… oder als Luft holen vor dem Abtauchen….

Dass die FPÖ dem Misstrauensantrag zustimmt, ist zwar nicht toll aber das kann ich noch irgendwie nachvollziehen bzw. habe ich es erwartet.

Die Folgen

Die Anzahl der Menschen, die das Absetzen der Regierung für gerechtfertigt halten, ist überschaubar. Wesentlich mehr Menschen sind erzürnt über den unnötigen Schritt. Weiters hat man nicht bedacht, dass wenn Sebastian Kurz mehr Zeit für Wahlkampf hat, er diese auch nutzen wird. Ich war selbst beim inoffiziellen Wahlkampfstart am 27. Mai Abends in Wien in der politischen Akademie der ÖVP – und mit mir hunderte Menschen aus fast allen Bundesländern. Die Stimmung dort war voller Tatendrang, Aufbruch und unbändigem Antrieb diese Wahl zu gewinnen wie noch nie zuvor.

Stabilität ist – zumindest noch – nicht zu spüren. Frau Rendi-Wagner und Herr Kickl haben sich schon ein paar Personen angesehen, nennen aber noch keine Namen – so richtig zufrieden wirken beide nicht. Gut, dass sie Zeit haben. Sebastian Kurz bringt derweil schon sein Team in Stellung, die Leute scharren in den Startlöchern – das Gefühl ein großes Unrecht miterlebt zu haben, feuert die Motivation an. 

Was Sebastian Kurz bei der Veranstaltung in der PolAk gleich zu Beginn sagte, soll aber nicht vergessen werden „Lasst die Wut, den Hass und die Trauer sein“.

Danke für das tolle Wahlergebnis Krenglbach!

Für das Ergebnis der EU Wahl habe ich mich auf der >> Webseite der Ortspartei bedankt und tue es hier noch einmal – ihr wart großartig! Vielen Dank auch unseren Beisitzern, die ihren Sonntag für die Wahl geopfert haben!

Hier ein paar Bilder aus Wien vom 27.5.2019

Author: Gerald G.

Nur so. Und überhaupt.